Folgende spontan gehaltene Rede galt dem 60. Geburtstag meines Vaters. Obgleich der Anlass sehr persönlich ist, birgt die Rede viel, das für andere ebenso relevant ist, weshalb ich sie niemandem vorenthalten möchte…
Kleine Dinge, große Wirkung
60 Jahre. Was schenkt mensch da? Es muss etwas großes sein. Das haben sich bestimmt viele von euch die Tage gedacht. Dabei sind die großen Dinge im Leben oft so klein in ihrer Wirkung. Und sind es gerade die kleinen Dinge, die so große Wirkung haben. Die, die nichts oder nicht viel kosten. So wie der Umstand, dass wir alle heute hierher gekommen sind.
So ist das auch mit Gewohnheiten. Die großen einmaligen Entscheidungen sind bei weitem nicht so relevant, wie wir denken. Wie wir es vielleicht gerne hätten. Ein neues großes Auto und schwups bin ich glücklich. Nein, so funktioniert das nicht. Ganz im Gegenteil. Es sind die kleinen Dinge, die nicht nur gemeinsam das Anlitz dieser ganzen großen Welt verändern. Sondern auch unserer ganz eigenen kleinen persönlichen Welt.
Es sind die kleinen Dinge, die nicht nur gemeinsam das Anlitz dieser ganzen großen Welt verändern. Sondern auch unserer ganz eigenen kleinen persönlichen Welt.
Die kleinen Dinge. Im Guten wie im Schlechten. Fahr ich noch schnell über die gelberote Ampel oder nicht. Eine Sekundenentscheidung. Aber vielleicht meine allerletzte. Lächle ich die nette Person gegenüber in der U-Bahn an oder nicht. Eine Sekundenentscheidung. Aber vielleicht meine lebensbeste.
Regelmäßigkeit zählt
Entscheidend ist aber nicht die Größe (einige dürfen aufatmen). Entscheidend ist, wie wir dauerhaft handeln. 20 Zigaretten an einem einzigen Tag im Jahr bringen uns nicht um. Jeden Tag eine tut es. 20 Äpfel an einem einzigen Tag im Jahr halten uns nicht gesund. Jeden Tag einer tut es. Die kleinen täglichen Routinen machen den Unterschied. Körperlich wie geistig. Im Guten wie im Schlechten.
Hier liegt die Krux. Denn viele unserer Gewohnheiten sind uns kaum bewusst. Das ist gut bezüglich der Routinen, die uns gut tun. Und schlecht bezüglich der Routinen, die uns schaden. Das ist der Grund, weshalb ich diese Worte schwinge. Denn schlechte Gewohnheiten sind schnell installiert. Gute Gewohnheiten so schnell vergessen.
Leben heißt Wachsen & Lernen
Wir alle schimpfen und jammern zu viel. Neiden und bereuen zu viel. Wir lernen und lesen zu wenig. Lieben zu wenig, lachen zu wenig. Wir alle leben zu wenig. Leben bedeutet konstantes Wachsen und Lernen. Fang wieder an, zu leben!
Leben bedeutet konstantes Wachsen und Lernen. Fang wieder an, zu leben!
Fang klein an – mit ein paar Buchseiten jeden Morgen und Abend in der U-Bahn. Du warst es, der mich als Kind, da so gern zeichnete, ganz erstaunt fragte, warum ich mir nicht bei anderen Zeichner*innen Inspiration hole. Du hattest recht. Lass dich von den Zeilen anderer inspirieren. Hierzu schenke ich dir zwei der Bücher, die mich dieses Jahr stark wachsen lassen haben.
Leben ist Bewegung
Wer jeden Tag das macht, das sie*er schon immer macht, bleibt dort, wo sie*er schon immer war. Wer jeden Tag das denkt, das sie*er schon immer denkt, bleibt, wer er*sie schon immer war. Stillstand ist der Tod. Das zeigt uns jedes EKG. Leben bedeutet Bewegung.
Stillstand ist der Tod. Das zeigt uns jedes EKG. Leben bedeutet Bewegung.
Lass uns klein anfangen! Mit ein paar Runden Eislauf, die früher Routine waren. Bewegung – eine Gewohnheit, die dir gut tat. Und die so essentiell für ein ausgeglichenes, gesundes und erfülltes Leben ist. Hierzu schenke ich dir Freikarten für das Eisstadion. Von dem du seit Jahren so schwärmst und es nie hinschaffst.
Sag ja zu dir selbst
Wir bekommen, was wir akzeptieren. Wir bekommen, was wir fordern. Fordern wir nichts, bekommen wir nichts. Jedes mal, wenn du nicht nein zu anderen sagen kannst, sagst du nein zu dir selbst. Zu deinen Bedürfnissen, zu deinen Gefühlen, zu deinen Werten und Wünschen.
Vielen hast du geholfen, zu selten dir selbst. Jeden Tag begleitet dich eine gefährliche Routine. Die der fehlenden Wertschätzung deines Selbst. Der Mangel an Selbstliebe.
Leben ist (Selbst-)Liebe
Wenn wir uns nicht selbst lieben, können wir nichts und niemanden anderen lieben. Zur Korrektur und zum Abgleich des eigenen Selbstbilds braucht es ab und an ein Fremdbild. Hierzu möchte ich dir die folgenden Minuten schenken. Und dafür brauche ich euch alle, die ihr heute gekommen seid!
Spätestens jetzt mache ich mich für heute unbeliebt. Jetzt wird es unangenehm. Aber das ist ok. Denn im Konflikt wächst mensch. Von nichts kommt nichts. Da wo kein Widerstand ist, gibt es nichts zu gewinnen. Wenn es unangenehm wird, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Und auf diesen und bei diesem wollen und dürfen wir dich begleiten. Zu mehr Wertschätzung und einem gesünderen Selbstbild.
Da wo kein Widerstand ist, gibt es nichts zu gewinnen. Wenn es unangenehm wird, dann sind wir auf dem richtigen Weg.
Zwei Sätze für dein Leben
Daher bitte ich euch alle – heute und hier – je zwei Sätze an meinen Vater zu richten. Der Reihe nach. Einen, wofür wir ihn als Person schätzen oder bewundern. Und einen, was wir ihm wünschen, dass er es endlich tut. Ich fange an:
Lieber Dad, ich schätze an dir, dass du immer loyal und hilfsbereit und nie geizig bist. Ich wünsche dir, dass du dich traust, mehr zu leben und dich nicht hinter dem vermeintlichen Alter, der eventuell mangelnden Gesundheit und anderen Ausreden versteckst. Es gibt noch so viel zu erleben, du hast noch so viel zu geben!…
Es gibt noch so viel zu erleben, du hast noch so viel zu geben!
Lass dein Glück frei
Wir sind nicht unseres eigenen Glückes Schmied*in, das ist Unsinn. Wir sind unseres eigenen Glückes Gefängniswärter*innen. Glück ist in uns angelegt. Wir müssen uns nur trauen, es zuzulassen. Keine Ausreden mehr suchen. Es nicht dabei hindern, sich natürlich zu entfalten. Dann ist der Anfang getan. Happy Birthday!

Dieser Redebeitrag wurde am 21. Dezember 2019 auf der Geburtstagsfeier zum 60. Geburtstag des Vaters von Viktor Gebhart in München gehalten. Er enstand spontan kurz vorher.