Der Mensch, das distanzierte Tier
Seit Beginn der Menschheitsgeschichte versucht der Mensch mit allen Mitteln, die Natur zu überwinden und alles “Tierische” in sich loszuwerden. Er sieht sich gerne als “zivilisiertes” Wesen und alle anderen Tiere als “primitive” Kreaturen, die rein instinktiv handeln. Er ist stolz, auf all das, was er “erreicht” hat. Denn er macht sein Geschäft nicht mehr in den Busch, schlägt nicht mehr non-stop mit der Keule um sich und hat gelernt, sich einigermaßen deutlich zu artikulieren – auch wenn der Trend rückläufig scheint.
Er fühlt sich erhaben über die einfache Natur. Er hat seine primitiven Bedürfnisse unter Kontrolle gebracht und hat sich somit Platz geschaffen, sein Handeln aktiv selbst zu bestimmen statt nur seinen Trieben zu folgen. Er setzt nicht auf Anpassung wie alle anderen Tiere sondern auf Distanzierung. Er hat sich vom täglichen Bedürfnisdruck gelöst und sich somit befreit. Er ist nicht mehr an die Natur gebunden. Er ist dadurch weltoffen geworden. Er kann sich Dingen widmen, die vorher nie möglich gewesen wären. Er kann mit höchster Kreativität Dinge erschaffen. Aber auch mit präzisester Brutalität Dinge vernichten.
Der Mensch kann mit höchster Kreativität Dinge erschaffen. Aber auch mit präzisester Brutalität Dinge vernichten.
Herdentier & Triebsteuerung
Er ist weit gekommen. Aus Sicht einer parasitären Lebensform. Die Erde ist sein Wirt. Dass er sie und alle darauf befindlichen Erdlinge ausbeutet, liegt in seiner „Natur“ – so scheint es. Er zelebriert Individualität und ist doch konform mit der Masse – ein stupides Herdentier, das sich mit zig anderen am hintersten U-Bahn-Eingang reinquetscht, während die anderen Eingänge frei sind. Das gemeinsam minutenlang an einer roten Ampel steht, obwohl kilometerweit kein Auto in Sicht ist. Das sich an einem Strandabschnitt dicht nebst anderen in der Sonne suhlt, während der Rest des Strands leer ist. Der Mensch folgt unentwegt einfachsten primitiven Instinkten. Das entlastet das konstant dauerüberflutete Hirn.
Mitten im Informationszeitalter schaltet er immer wieder auf uninformiert und frohlockt dem Reptiliengehirn. Während er sich ansonsten zunehmend moralisch hochgebildet gibt, greift er bei der ersten kühlen Brise zur Kleidung der weitentfernten Verwandten aus der Eiszeit. Er trägt wieder gerne Pelz. Er trägt wieder Tod. Hier ist es ihm plötzlich nicht mehr wichtig, sich evolviert zu geben. Der Neo-Neandertaler fährt seinen ganz eigenen Film. Sein Titel: “Vorwärts in die Vergangenheit”.
Während er sich ansonsten zunehmend moralisch hochgebildet gibt, greift der Mensch bei der ersten kühlen Brise zur Kleidung der weitentfernten Verwandten aus der Eiszeit.
Aufmerksamkeit um jeden Preis
Vor zehntausenden Jahren diente Pelz als lebensnotwendiger Schutz vor der eisigen Kälte – eine Notwendigkeit, dem primitiven Überlebenstrieb gerecht zu werden. Heute scheint unser Überleben gesichert, wir sind übersatt und so sicher, dass wir uns konstant künstlich verängstigen. Dem Neo-Neandertaler dient Pelz heute als pure Zierde. Es geht darum, der bunteste Pfau der Herde zu sein, ohne selbst viel dafür tun zu müssen. Sich mit fremden Federn oder besser fremdem Fell zu schmücken ist allemal leichter als an sich selbst zu arbeiten. Der Neo-Neandertaler frönt seinem Trieb nach Aufmerksamkeit. Er will gesehen werden. Um jeden Preis. Doch der Preis ist hoch.
Noch immer sterben jährlich Millionen Tiere für Pelz und Pelzbesätze. Füchse, Waschbären, Kaninchen, aber auch Hunde und Katzen. Erschlagen, erstickt, vergast, lebendig gehäutet. Pelz wächst nicht auf Bäumen! Das Business boomt, die Pelz”industrie” macht ein Mordsgeschäft mit dem blutigen Mordgeschäft. Bommel, Kragen, Verzierungen – für nur wenig Geld ist Echtpelz sogar in Ramschläden zu finden, ohne dass Echtpelz auf dem Etikett stehen muss.
Es ist schockierend, wie uninformiert die Masse durchs Leben schreitet und blind irgendwelchen Trends folgt. Den Tieren wird bei vollem Bewusstsein das Fell vom Leib gezogen, ihre blutigen Körper auf einem Haufen zusammengeworfen, wo sie grausam unter qualvollsten Schmerzen verenden. Was soll daran auch nur annähernd “cool” und “stylisch” sein?
Es ist schockierend, wie uninformiert die Masse durchs Leben schreitet und blind irgendwelchen Trends folgt.
Großer Macht folgt große Verantwortung
Nie zuvor wurde derart viel Pelz verkauft wie heute. Das Leid der Tiere ist unvorstellbar. Dem Tier Mensch scheint es egal. Doch es gibt Hoffnung. Wie anfangs erwähnt: Der Mensch ist ein Tier der besonderen Gegensätze. Er kann alles sein und das weitaus extremer als alle anderen Tiere. Ein brutales egoistisches Wesen, ein Parasit. Aber eben auch ein Symbiont, der mit seiner Erde in Symbiose lebt und Verantwortung übernehmen kann.
Er kann sich um die Robbe in der Antarktis sorgen, die er nie live gesehen hat. Die Robbe kann das nicht, sie ist an ihre jeweilige Situation gebunden, voll beschäftigt damit, zu überleben. So böse der Mensch sein kann, so gut kann er sein. Denn das Mitgefühl und die Moral liegen ebenso in seiner Natur. Mit großer Macht kommt große Verantwortung. Zeit, dass der Mensch sie übernimmt und dem Echtpelz für immer abschwört!
So böse der Mensch sein kann, so gut kann er sein. Denn das Mitgefühl und die Moral liegen ebenso in seiner Natur. Mit großer Macht kommt große Verantwortung. Zeit, dass der Mensch sie übernimmt und dem Echtpelz für immer abschwört!
Also lasst uns heute gemeinsam die Menschen wachrütteln! Lasst sie uns zur guten Seite der Macht ziehen! Denn Mitleid ist nicht genug!
Dieser Redebeitrag wurde am 21. Oktober 2017 in Zürich auf der 1. großen Anti-Pelz-Demo gehalten. Er erschien darüberhinaus u.a. leicht abgeändert in der Mittelbayerischen Zeitung. Den zugehörigen Artikel finden Sie hier. © Foto: Fighting for animals.photography.